Links abbiegen – aber auf welche Spur?

Sie stehen mit dem Auto auf dem Linksabbiegerstreifen an der Ampel, die Ampel wird grün, Sie biegen ab. In der Straße, in welche Sie einbiegen, gibt es zwei Fahrspuren. Welche dieser Fahrspuren haben Sie zu wählen?

Mit dieser Frage hat sich zuletzt das Kammergericht Berlin auseinandergesetzt (im Bundesland Berlin wird das Oberlandesgericht nicht als solches bezeichnet, sondern es trägt die Bezeichnung Kammergericht). In dem zugrundeliegenden Fall ordnete sich der Beklagte auf dem Fahrstreifen für Linksabbieger ein, hinter ihm tat dies der Kläger in einem größer motorisierten Fahrzeug ebenso. Als die Fahrzeuge anfuhren überholte der Kläger den Beklagten noch während des Abbiegevorgangs und es kam zur Kollision zwischen den Fahrzeugen, als sich der Beklagte (also der Vorausfahrende) seine Zielspur in der Straße aussuchte, in welche beide Fahrzeuge just einbiegen wollten.

Der Kläger begehrte vom Beklagten Schadenersatz für die aus dem Unfall resultierenden Schäden an seinem Fahrzeug – ohne Erfolg. Zwar obsiegte der Kläger in erster Instanz, jedoch legte der Beklagte gegen das Urteil Berufung ein und obsiegte seinerseits vollständig im Berufungsverfahren. Zur Begründung führte das Kammergericht aus:

Der Vorausfahrende habe die freie Wahl, welchen Fahrstreifen er für seine Fahrt nach dem Abbiegevorgang nutzen wolle. Es sei für den nachfolgenden Verkehr erst mit dem endgültigen Einordnen in einen der zur Verfügung stehenden Fahrstreifen klar, welcher Fahrstreifen zum Überholen verwandt werden könne. Eine solche endgültige Wahl könne beim Linksabbiegen regelmäßig erst etwa 15 bis 20 Meter nach dem Einsetzen von Fahrstreifenmarkierungen angenommen werden – jedenfalls bis dahin habe der vorausfahrende Verkehr Vorrang.

Welche Rechtsgrundlage liegt der Entscheidung zugrunde? Die grundsätzliche Haftung des Fahrzeughalters ergibt sich aus § 7 Straßenverkehrsgesetz (StVG), die Haftung des Fahrzeugführers aus § 18 StVG. Bei Unfällen mit mehreren Fahrzeugen ist das jeweilige Verschulden gemäß §§ 9 und 17 StVG zu berücksichtigen. Die Frage, welche Partei welchen Verschuldensanteil trägt, richtet sich danach, inwieweit die Regeln des Straßenverkehrs gebrochen wurden. Im hier beschriebenen Fall sind dies § 1 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO), welcher das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme ausdrückt, sowie § 7 Abs. 5 StVO, welcher Regeln für den Wechsel eines Fahrstreifens aufstellt; unter anderem, dass ein Fahrstreifen nur dann gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.